Hebammen sind Expert:innen in der Geburtshilfe und betreuen Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett. Sie sind dabei Ansprechpartner:innen für alle Fragen und unterstützen Frauen und ihre Familien in dieser besonderen Zeit. Das Berufsbild der Hebamme ist sehr vielseitig und es gibt verschiedene Tätigkeitsfelder, sowohl im klinischen als auch im außerklinischen Bereich. Annette-Kluge-Bischoff ist eine grundständig gelernte Hebamme in Augsburg seit 30 Jahren, die derzeit den Hebammenstudiengang an der Universität Augsburg aufbaut. Sie hat 20 Jahre im Kreißsaal des Universitätsklinikums Augsburg gearbeitet und auch nebenbei freiberuflich Paare in der Schwangerschaft und im Wochenbett betreut. Bevor sie nun an der Universität tätig wurde, hat sie neun Jahre lang Kolleg:innen an der Hebammenschule Augsburg ausgebildet.
Früher Ausbildung, heute Studium: So wird man Hebamme
Die Ausbildung zur Hebamme hat sich in Deutschland in den letzten Jahren verändert. Früher konnte man nach der zehnten Klasse eine dreijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule machen und danach eine staatliche Prüfung ablegen. Mit dem neuen Hebammengesetz von 2020 kann man nur noch über einen Bachelorstudiengang Hebamme werden. Diese sind immer dual, damit die Studierenden einen großen praktischen Anteil leisten müssen, um die entsprechenden Fertigkeiten zu erlangen.
Ziel dieser Akademisierung ist es, die Abschlüsse einheitlicher zu gestalten und den Anschluss an andere europäische Länder herzustellen, denn „Deutschland ist das letzte Land, welches auf die hochschulische Ausbildung umstellt“, erklärt Annette Kluge-Bischoff. „Es hat jungen Hebammen in den letzten Jahren oft Probleme bereitet, wenn sie bei uns die Ausbildung gemacht haben und in anderen Ländern mit diesem Berufsabschluss arbeiten wollten. So werden die Grenzen etwas aufgeweicht und die Möglichkeiten, gerade was die EU betrifft, größer“, erzählt die erfahrene Hebamme. So könne man auch viel leichter in der Schweiz oder Österreich tätig werden. Wer Hebamme in Augsburg werden möchte, kann ab diesem Oktober an der Universität in Augsburg studieren.
Betreuung vor, während und nach der Geburt
Insgesamt ist das Berufsbild der Hebamme sehr vielseitig und bietet viele unterschiedliche Tätigkeitsfelder. Es gibt verschiedene Formen der Arbeit, die von freiberuflich tätigen Hebammen bis hin zu angestellten Hebammen in Kliniken reichen. Es fängt mit der Betreuung vor der Geburt an. „Die vorgeburtliche Betreuung im Rahmen der Schwangerenvorsorge oder Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden wird in der Regel von freiberuflichen Hebammen, die Hebammenpraxen oder Geburtshäusern tätig sind, angeboten“ sagt Frau Kluge-Bischoff. Die Geburt selbst findet in Deutschland größtenteils in Kliniken statt. Der Großteil der Hebammen in den Kliniken seien angestellte Hebammen. Zu guter Letzt gibt es dann natürlich noch die Versorgung der jungen Familie nach der Geburt. Die Betreuung im häuslichen Wochenbett fällt in den Arbeitsbereich freiberuflicher Hebammen. „Die Frauen gehen oft ja schon am zweiten oder dritten Tag nach Hause. Und haben dort wiederum das Anrecht durch eine Hebamme im Wochenbett betreut zu werden. Da organisieren sich die Kolleg:innen eigenverantwortlich und führen dann diese Hausbesuche durch“, erzählt Frau Kluge-Bischoff weiter.
Es gebe aber noch deutlich mehr Bereiche, in denen Hebammen arbeiten können, wie beispielsweise Aufklärungsunterricht in Grundschulen. „Das ist wirklich das besonders Schöne an diesem Beruf. Das Spektrum, in dem ich wählen kann, in dem ich meine Nische finden kann, wie ich arbeiten möchte. Gerade im Bereich der Freiberuflichkeit kann ich mich in so vielen Bereichen fortbilden und spezialisieren, um so das Angebot erweitern zu können“, erzählt sie.
Hebamme in Augsburg: So ist der Alltag
Durch die Vielfältigkeit des Berufes, sieht auch der Arbeitsalltag bei jeder Hebamme anders aus. In der Klinik wird typisch im Schichtdienst gearbeitet. „Ich bin dann immer entsprechend vor oder nach meiner Schicht meiner Freiberuflichkeit nachgegangen“, erzählt Frau Kluge-Bischoff. „Sprich, wenn ich Wöchnerinnen zu Hause betreut habe, dann habe ich das immer an den Dienst davor oder danach gekoppelt. Dadurch kamen dann schon Tage zustande, wo man zehn bis zwölf Stunden arbeitet. Das ist auch heute als Hebamme oft noch normal.“ Deshalb sei es wirklich wichtig, strukturiert zu sein und eigenverantwortlich ein gutes Zeitmanagement für sich zu finden. „Trotzdem muss man immer etwas flexibel bleiben. Es kann jederzeit ein Anruf von einer Frau kommen, die besondere Beschwerden hat und dann muss man den Terminkalender schnell umkrempeln“, erklärt sie weiter. Um diesen besonderen und vielfältigen Beruf auszuüben, sollte man an erster Stelle Empathie und Einfühlungsvermögen mit sich bringen. „Jede Situation ist individuell und es ist essenziell, dass man sich da reinversetzen kann“, erzählt sie. Man solle auch Ventile finden mit dem Stress umzugehen und „ich glaube das Wichtigste ist, dass man nie aus dem Blick verliert, welche Verantwortung man mit diesem Beruf übernimmt“.
Bei einem ganz besonderen Moment im Leben dabei sein
Annette Kluge-Bischoff erinnert sich noch ganz genau an die erste Geburt, bei der sie als Hebamme dabei war. „Die erste Geburt war 1993 und damals hatte Augsburg noch viele Kasernen von Amerikanern, die bei uns stationiert waren. Und es war tatsächlich eine amerikanische Patientin, also war ich damals gleich auch noch mit einer Sprachbarriere gesegnet“ lacht sie. „Ich war total aufgeregt. Ich kann mich sogar noch an den Namen der Frau erinnern, weil es wirklich so einprägend war. Insgesamt war das eine sehr schöne und gute Geburt und ein wunderhübsches Baby kam zur Welt.“ Sie hat in 30 Jahren schon sehr viele Kinder auf die Welt gebracht und trotzdem ist es immer wieder außergewöhnlich. „Jedes Mal ist es wirklich wieder was Besonderes, wenn man diese strahlenden Augen der Eltern sieht, denn eine Geburt ist und bleibt einer der wichtigsten Momente im Leben“ schwärmt sie. „Es ist wirklich auch nach so vielen Jahren immer wieder schön, dass zu sehen, wie so eine „frischgebackene“ Familie strahlt und glücklich ist.“
Ein emotionaler Beruf
Natürlich verläuft nicht jede Geburt einwandfrei. Pauschal gebe es aber keinen Weg, wie man lernt, damit umzugehen. „Jede Situation ist individuell. Dinge, die in der Geburtshilfe nicht gut laufen, sind immer sehr von Emotionen getragen“ erzählt die erfahrene Hebamme. „Je nachdem, wie die Emotionen sich in so einem Kreißsaal dann bewegen, ist es auch selbst nach vielen Jahren noch so, dass man da mitfühlt. Ich glaube, es wäre auch schlimm, wenn man beruflich erkalten würde.“
Tipps für werdende Eltern von einer Augsburger Hebamme
Annette-Kluge-Bischoff hat noch ein paar Tipps für werdende Eltern dabei. Heutzutage solle man sich möglichst zeitnah um eine Hebamme kümmern, sobald die Schwangerschaft bekannt ist. „Es ist nicht immer ganz einfach in bestimmten Regionen eine Hebamme zu finden“, erläutert sie. Viele Frauen wüssten auch nicht, dass sie parallel zu ihrem/ihrer Gynäkolg:in die ganze Schwangerschaft durch eine Hebamme mitbetreut werden können. „Viele denken, das überschneidet sich. Aber der Arzt hat einen ganz anderen Auftrag als die Hebamme“, erklärt sie weiter. „Wir Hebammen haben eine hohe Beratungskompetenz. Wir haben die Zeit, entsprechende Gespräche zu führen, sei es zur Ernährung, zum Lebensstil in der Schwangerschaft, zur Vorbereitung auf das Kind im Haushalt.“ Das seien alles Dinge, die in einer Frauenarztpraxis aus zeitlichen Gründen nicht in diesem Umfang angesprochen werden können und so kann sich die ärztliche und die Betreuung durch Hebammen gut ergänzen. „Deshalb immer gerne zeitnah mit Schwangerschaftseintritt versuchen, eine Hebamme zu finden, um auch Zeit zu haben, diese kennenzulernen und miteinander einen guten Kontakt und vor allem eine Bindung aufzubauen.“
Noch ein wichtiger Hinweis: "Auch wenn es oft Frauen sind, die den Beruf der Hebamme erlernen, können das natürlich auch Männer. Hebamme ist dabei eine geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung. Den Begriff des ‘Entbindungspflegers’ gibt es mit dem neuen Hebammengesetz nicht mehr", erklärt Frau Kluge-Bischoff.