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Mehr als eine Phase: Depressionen bei Kindern

Depressionen bei Kindern

Mehr als eine Phase: Depressionen bei Kindern

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    Mehr als eine Phase: Depressionen bei Kindern
    Mehr als eine Phase: Depressionen bei Kindern

    In der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen ist es normal, auch mal durch schwere Phasen zu gehen und nicht immer positiv gestimmt zu sein. Halten Ängste oder Traurigkeit länger an, könnte aber auch eine Depression vorliegen. Depressionen gehören bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und sollten von Eltern dringend ernstgenommen werden.

    Dr. med. Tomasz Antoni Jarczok ist Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie an der KJF Klinik Josefinum in Augsburg, Kempten und Nördlingen. Im Gespräch mit der Intersana-Redaktion erklärt der Experte für Depression bei Kindern und Jugendlichen, wie Eltern depressive Symptome bei ihren Kindern erkennen können und was eine Depression bei Kindern und Jugendlichen auslösen kann.

    Wie oft kommen Depressionen bei Kindern vor?

    Dr. Jarczok: Generell sind Depressionen im Kinder- und Jugendalter gar nicht so selten. Wissenschaftliche Untersuchungen legen dar, dass etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen an einer Depression erkranken. Allgemein kann man jedoch sagen, dass eine Depression im Vorschulalter etwas seltener ist, ab der Pubertät steigt dann die Häufigkeit. Im Kindesalter sind Mädchen und Jungen gleichermaßen betroffen. Ab dem Jugendalter tritt eine Depression bei Frauen jedoch doppelt so häufig auf. Das hängt möglicherweise mit den hormonellen Veränderungen in der Pubertät zusammen. Insgesamt haben Depressionen bei Kindern und Jugendlichen eine sehr hohe Relevanz. Denn sie dauern oft über einen längeren Zeitraum an und beeinträchtigen häufig die Alltagsfunktionsfähigkeit.

    Gab es durch den Lockdown in der Corona-Pandemie eine höhere Anzahl an depressiven Kindern und Jugendlichen?

    Dr. Jarczok: Wir haben seit 2021 tatsächlich einen Anstieg von Kindern und Jugendlichen, die sich mit depressiven Symptomen und Ängsten bei uns in der Klinik vorstellen. Nicht selten spielt dabei das Thema suizidale Gedanken eine Rolle. Natürlich können wir aus dem Anstieg an Patientinnen und Patienten nicht einen allgemeinen Rückschluss auf die Bevölkerung ziehen. Es gibt jedoch Untersuchungen, die gezeigt haben, dass die Symptome von Depressivität und Ängstlichkeit im Rahmen der Pandemie zugenommen haben.

    Ein auslösender Faktor kann dabei zum Beispiel sein, dass Eltern während des Lockdowns gleichzeitig ihre Kinder betreuen und im Homeoffice arbeiten mussten. Das kann die familiäre Situation stark belasten und beispielsweise Aggressionen auslösen. Manche Kinder und Jugendliche haben durch den Online-Unterricht aber auch die Kontrolle über ihren strukturierten Alltag verloren oder hatten Angst davor, den schulischen Ansprüchen nicht mehr zu entsprechen. Im Endeffekt ist es meistens das Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, welches eine Depression auslöst.

    Wie können Eltern Symptome der Depression bei ihren Kindern erkennen?

    Dr. Jarczok: Generell ist es nicht immer leicht, bei Angehörigen eine Depression zu erkennen. Für Eltern kann es schwer sein, Symptome bei ihrem Kind und richtig zu deuten. Es kommt zum Beispiel die Frage auf, welches Verhalten im Rahmen der normalen Pubertätsentwicklung zu erwarten ist und was schon ein Symptom der Depression sein kann. Ein mögliches Alarmsignal kann sein, wenn Jugendliche beispielsweise den Schulalltag nicht mehr bewältigen können, weil es ihnen über einen längeren Zeitraum nicht gut geht oder wenn sie deutlich in ihrer Alltagsfunktionsfähigkeit beeinträchtigt sind. Weitere Anzeichen sind aber auch dauerhafte Niedergeschlagenheit, der Verlust der Fähigkeit sich über Dinge zu freuen, die früher Spaß gemacht haben. Starke Schlafstörungen und deutliche Veränderungen beim Appetit können auch Symptome sein, wenn sie über einen längeren Zeitraum anhalten. Wenn Kinder oder Jugendliche suizidale Gedanken äußeren, sollte man das unbedingt ernst nehmen und Beratung bei Expertinnen und Experten suchen.

    Was kann eine Depression bei Kindern und Jugendlichen auslösen?

    Dr. Jarczok: Es sind neben genetischen Veranlagungen auch länger anhaltende Belastungen, die eine Depression auslösen können – beispielsweise wenn das Kind über einen längeren Zeitraum gestresst und überfordert ist. Manchmal sind auch traumatische Ereignisse ein Auslöser, zum Beispiel der Tod eines Angehörigen. Zu weiteren Ursachen von Depressionen zählen chronische unbehandelte soziale Angststörungen und anhaltende Schwierigkeiten bei der Interaktion mit anderen Menschen.

    Wie sollen sich Eltern verhalten, wenn sie mögliche depressive Symptome bei ihrem Kind erkennen?

    Dr. Jarczok: Ich denke, dass Eltern auf jeden Fall mit ihrem Kind sprechen sollten. Es ist wichtig zu verstehen, wieso sich das Kind anders verhält und wie es sich und seine aktuelle Lebenssituation wahrnimmt. Wenn das Kind den Alltag nicht mehr bewältigen kann oder einem anhaltenden Leidensdruck unterliegt, sollten sich Eltern professionell beraten lassen.

    An wen können sich Eltern wenden?

    Dr. Jarczok: Der erste Weg führt am besten zum Kinderarzt. Dieser ist zwar meist nicht spezialisiert auf psychische Erkrankungen, kann aber Überweisungen geben und entsprechende Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner empfehlen – zum Beispiel Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Diese können eine Depression bei Kindern erkennen, diagnostizieren und behandeln. Wenn eine Situation sehr akut ist und für das Kind gefährlich werden kann, gibt es bei uns in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik im Josefinum Augsburg auch eine Notfall-Anlaufstelle.

    Wichtig ist mir: Familien sollten sich bewusst sein, dass es kein persönliches Versagen ist, wenn ein Kind psychisch krank wird. Man braucht keine Angst vor einer Untersuchung beim Kinder- und Jugendpsychiater haben. Oftmals ist es besser, sich frühzeitig Hilfe zu holen und sich beraten zu lassen, anstatt später mit gravierenden Folgen rechnen zu müssen.

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