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Zu oft und zu lange im Internet: Wie wirkt sich das auf Kinder aus?

Zocken und chatten

Zu oft und zu lange im Internet: Wie wirkt sich das auf Kinder aus?

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    Zu oft und zu lange im Internet: Wie wirkt sich das auf Kinder aus?
    Zu oft und zu lange im Internet: Wie wirkt sich das auf Kinder aus? Foto: USM Photography

    Die vielen digitalen Angebote vom Spielen übers Streamen bis zum Chatten, die das Internet heute bietet, werden vor allem von Jugendlichen stark genutzt. Während Mädchen viel in sozialen Medien wie Instagram oder TikTok unterwegs sind, ist es bei Jungen mehr das Gaming, das Zocken in Computerspielen wie Minecraft, League of Legends, Fortnite, das Fifa-Spiel, Assassin's Creed oder bei Ego-Shooter-Spielen wie Counter-Strike oder Call of Duty, die sie stundenlang fesseln und die Zeit vergessen lassen.

    Das führt einerseits zu den bekannten körperlichen Defiziten wie Bewegungsmangel verbunden mit Übergewicht oder Kurzsichtigkeit resultierend aus der Bildschirmnutzung, hat andererseits aber auch Auswirkungen auf die Psyche.

    So gibt es Hinweise darauf, dass die exzessive Nutzung digitaler Medien zu problematischen Entwicklungen von jungen Menschen in der Pubertät führen kann. Die schnelle Welt des Internets passt zum Auf und Ab der Gefühle, dem Teenager sowieso schon ausgesetzt sind. So kommt es, dass geschätzt rund acht Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen unter einer computerspiel- oder internetbezogenen Störung leiden und bei knapp einem Drittel schon problematisches Nutzungsverhalten vorliegt.

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    Foto: sakkmesterke

    „Das Problem  dabei ist auch, dass Kinder und Jugendliche die virtuelle Welt als sehr real wahrnehmen“, sagt die Augsburger Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Monika Hiebeler. In Online Spielen gibt es viele Teilnehmer gleichzeitig; Während ein Jugendlicher vielleicht gerade Hausaufgaben machen sollte, passieren „wichtige“ Dinge im virtuellen Spiel, die die eigene Spielerrolle betreffen können. Somit sind die Jugendlichen oft im „Teilnehmerstress“.

    Bildschirm-Bekanntschaften aus Rollenspielen und Chats werden als Freunde begriffen, obwohl man sie noch nie getroffen hat. Psychologisch gesehen spricht für die Bevorzugung der virtuellen Welt auch die schnelle Verfügbarkeit – ein Klick und man kann mit vielen Menschen kommunizieren. 

    Internet ist einfacher als Realität

    Das ist natürlich wesentlich einfacher als sich an einem realen Treffpunkt zu verabreden. „Da muss man außer Haus gehen, überlegen, wie man hinkommt und so weiter“, so Hiebeler. Sie nennt das „Planungsdenken beweisen“. Genau diese Fähigkeit ist aber sehr wichtig für die Entwicklung junger Menschen und ein zu hoher Medienkonsum beeinträchtigt sie, weil er sie überflüssig macht.

    Hinzu kommt, dass bei virtuellen Gruppen, Kinder nicht selten mit belastenden, auch sexuellen, Bildern oder Häme konfrontiert sind, was sie alleine nur schwer oder gar nicht einordnen können. Konflikttoleranz ist auf den ersten Blick nicht notwendig, weil man sich einer großen Zahl von „Freunden“ und „Freundinnen“ zuwenden kann, wenn es mit anderen "nicht mehr läuft".  Chatten ist zwar nicht grundsätzlich schlecht und eine Kommunikation über diese Kanäle ist heute einfach üblich, aber sie sollte keine echten Kontakte und Freunde ersetzen.

    Kinder im Internet begleiten

    Hier sind die Eltern gefragt. Sie müssen nicht nur darauf achten, dass der Nachwuchs auch mal außer Haus geht, um sich ganz real mit Freunden zu treffen, sondern sie sollten auch  auf den Austausch im Internet ein Auge haben und ihre Kinder begleiten - besonders wenn sie noch recht jung sind. Eltern müssen auf die Gefahr nicht persönlich bekannter Chatteilnehmer hinweisen, auf gefakte Einträge, überarbeitete Fotos.

    Sie sollten ihre Kinder auch darüber aufklären, was wahre Freundschaft ist oder welche Folgen einmal verschickte Fotos oder auch Lästereien und Häme haben können.  Denn ganz schnell ist man hier im Mobbingbereich.

    Monika Hiebeler schlägt als Alternativen zur Mediennutzung den Besuch von Sportvereinen und andere Hobbys vor. Auch Aufgaben daheim, Beschäftigungen mit denen Kider und Jugendliche etwas Sinnhaftes zum echten Leben beitragen und damit Selbstwirksamkeit erfahren können, seien gut. Das kann eine Besorgung sein oder durchaus auch mal eine Recherche im Internet für die Eltern.

    Alternativen bieten

    Auch gegen übermäßiges Videospielen, das „Zocken“ oder „Daddeln“ können Eltern etwas tun. Monika Hiebeler: „Videospiele sind eine Art spielerisches Genussmittel, weil sie Gestaltungs- und Belohnungsraum bieten. Beim Spielen erfolgt über Punkte und optische und akustische Reize eine schnelle Rückmeldung, das Gehirn wird sofort belohnt – damit macht virtuelles Spielen mehr Spaß als das in der Realität.“

    Das gilt es bereits VOR dem Jugendalter in fruchtbare Bahnen zu lenken.

     Eltern, Schule oder Hort sind gefragt, Alternativen anzubieten und auch mal gemeinsame Aktivitäten wie kochen, bowlen, Ausflüge oder einen Konzertbesuch unternehmen. Es genügt in den meisten Fällen nicht, die Kinder einfach nur rauszuschicken und sie sich selbst zu überlassen. „Denn oftmals bietet gerade die Umgebung in der Stadt für Kinder nur eintönige Anreize und wenig Raum für sogenanntes environmental mastery, also das Gefühl, die Umwelt nach den eigenen Bedürfnissen mitgestalten zu können“, erklärt Hiebeler.

    Es gebe zwar Spielplätze, aber der Gestaltungsspielraum ist hier eingeschränkt und vorgegeben, gibt Hiebeler zu bedenken. Gärten in den Vorstädten seien klein und würden nicht mehr zum Entdecken einladen. „Der Bewegungsradius von Kindern in jedem Alter wird aus Vorsicht immer kleiner, sie werden überall hingefahren“, stellt Hiebeler fest und merkt an: Wo und wie können sich Kinder und Jugendliche hier noch fantasievoll beschäftigen?

    Gerade die Kreativität und das selbstwirksame Verhalten seien jedoch, ebenso wie das Planungsverhalten, wichtige Fähigkeiten, die unsere Gesellschaft in der Zukunft benötigt, wenn immer mehr Aufgaben von Computern abgenommen werden.

    Vorbild sein

    Die Mediennutzung begleiten und Alternativen anbieten – was können Eltern weiter tun, um den Nachwuchs von zu intensiver Mediennutzung abzuhalten? Monika Hiebeler erinnert hier an die Vorbildfunktion der Erwachsenen.  Liegt mein Smartphone beim Essen neben mir und schaue ich drauf wenn eine Nachricht eingeht? Lasse ich mich vom Fernsehprogramm ablenken oder ist mir mein Kind wichtiger?

    Auch die Einführung von Medienzeiten für Kinder und teilweise auch noch für Jugendliche können helfen, den Medienkonsum zu beschränken. Je jünger die Kinder sind, desto mehr darf man sich sträuben, wenn die Kinder Spielekonsolen, Smartphones oder Computer einfordern, weil andere sie auch haben oder nutzen. Gemeinsames Medienfasten gibt ebenfalls Raum für alternative Beschäftigungen. So hat zum Beispiel ein Vater, der an seine zockenden Söhne kaum mehr heran kam, mit seiner Frau beschlossen, sie fahren eine  Woche mit einem Hausboot einen Fluss entlang - ohne Medien. Es sei ein Durchbruch gewesen.

    Auch mal verbieten

    Verbote sind jedoch die letzten Mittel. Viel wichtiger ist, dass Eltern zu ihren Kindern eine freundliche und stabile Beziehung aufbauen und sie auf diese Weise in ihrer Entwicklung - auch in der digitalen Welt - begleiten.

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