Einen Erste-Hilfe-Kurs hat wohl so gut wie jeder deutsche Erwachsene im Laufe seines Lebens schon einmal gemacht. Wenn sich jemand körperlich verletzt, wissen wir, was zu tun ist: Atmung checken, stabile Seitenlage, 110 wählen. Doch wie schaut es aus, wenn jemand im eigenen Umfeld seelisch versehrt ist? Womöglich bemerken Sie, dass ein Kollege langfristig niedergeschlagen wirkt, die beste Freundin nur noch selten das Haus verlassen möchte oder die Oma keinen Lebensmut mehr zeigt und appetitlos ist. Viele Außenstehende fühlen sich in einer solchen Situation überfordert. Ansprechen? Aber wie die richtigen Worte finden? Besser abwarten? Man möchte schließlich niemandem auf den Schlips treten…
Gesellschaftliche Sensibilität kann Depression und Suizid verhindern
Doch die Gefahr, jemandem auf den Schlips zu treten, ist es wert, wenn damit eine Depression und im schlimmsten Fall ein Suizid verhindert werden kann. Die Sensibilität in Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern bei dem Thema Depression noch heruntergeschraubt. In Australien gibt es seit über zwanzig Jahren ein Programm, das eine Erste-Hilfe-Anleitung für psychische Krisen anbietet. Viele andere Länder wie die USA haben schon nachgezogen. Mentale Gesundheit wird damit ein öffentliches Thema und psychische Probleme werden nicht verpönt, sondern transparent gemacht. Prävention ist der Schlüssel, damit seelisches Leiden abgefangen wird und nicht erst gehandelt, wenn es schon zu spät ist.
Das steckt hinter „Mental Health First Aid“
Die „Mental Health First Aid“ wurde vor über zwanzig Jahren von australischen Psychologen und Psychologinnen entwickelt. Die Annahme dahinter ist, dass einer von fünf Menschen in jedem Jahr eine seelische Krise durchlebt. Demnach kennt jede und jeder von uns eine Person, die unter Panikattacken, suizidalen Gedanken oder anderen mentalen Problemen leidet. Es müsse vermehrt Bildung zu den Themen geben. So können Kompetenzen zur Unterstützung erlernt werden, um anderen zu helfen.
So gelingt die Erste-Hilfe für die Seele
Das Erste-Hilfe-Training zielt auf eine frühzeitige Prävention ab und vermittelt, wie man seelisches Leiden bei anderen erkennt, auf sie zugeht und reagiert. So können laut der Organisation Leben gerettet werden. Natürlich ersetzen der Laie und die Laien hierbei keinen professionellen Therapeuten, sondern begleiten unterstützend.
Hier gibt es Videoanleitungen für die Mental Health First Aid auf YouTube.
An diesen Symptomen erkennen Sie psychische Probleme bei Menschen in Ihrem Umfeld:
- Sichtbare Verzweiflung
- Gereiztheit, hohe Emotionalität und Gefühlsschwankungen
- Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: Abgeschlagenheit und Apathie
- Vermeidung von sozialen Kontakten
- Aggressives Verhalten
- sichtbare Überforderung mit Alltagssituationen
- Appetitlosigkeit, starke Gewichtsabnahme oder – zunahme
- Selbstverletzendes oder fremdverletzendes Verhalten
- Äußerung von Suizid-Gedanken
Woran erkennt man eine Depression und Suizid-Gefährdung?
Eine Depression äußert sich laut der Deutschen Depressionshilfe in gedrückter Stimmung, Interessens- und Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Schlafstörungen, verminderter Konzentration, Hoffnungslosigkeit und einem geringen Selbstwertgefühl.
Akute Warnsignale einer Suizid-Gefährdung sind neben den oben aufgeführten Symptomen außerdem das Verschenken von persönlichen Gegenständen, das Schreiben von Abschiedsbriefen, Weglaufen von zu Hause und die Ankündigung von Selbstverletzung und Suizid.
Hier finden Sie Hilfsangebote von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
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Wie helfe ich Mitmenschen, die sich in einer seelischen Krise befinden?
So reagieren Sie, wenn Sie eine psychische Krise bei anderen vermuten:
Erkennt man eine Depression oder gar Suizid-Gefahr bei Menschen im Umfeld, sollte man seine Befürchtungen offen aussprechen. Laut Experten sind ein respekt- und verständnisvoller Umgang wichtig. Lieber zuhören, als gutgemeinte Ratschläge geben. Denn dies kann bevormundend wirken. Jedoch kann Hilfe angeboten werden, wenn es darum geht, gemeinsam einen professionellen Therapieplatz zu finden.
Bei leichteren depressiven Verstimmungen wie dem Winterblues hilft es vielen Menschen, soziale Kontakte zu pflegen. Schlagen Sie einen Spaziergang, einen entspannten Kochabend und eine andere Aktivität vor, die der oder die Betroffene gerne macht und bei der er oder sie sich wohlfühlt.
Möchte die betroffene Person nicht mit Ihnen über ihre Probleme sprechen, können Sie auf anonyme Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge verweisen. Die deutschlandweite Rufnummer ist die (0800) 1110-111 oder -222.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie eine Übersicht.
Haben Sie einen nahestehenden Menschen durch einen Suizid verloren? Die AGUS e.V. ist eine Selbsthilfeorganisation für Suizid-Trauernde.