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Autismus bei Frauen: Deshalb kommt die Diagnose oft so spät

Gendermedizin

Autismus bei Frauen: Deshalb kommt die Diagnose oft so spät

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    Bei Frauen wird Autismus häufig erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Viele haben dann bereits eine lange Leidens- und Diagnosegeschichte hinter sich.
    Bei Frauen wird Autismus häufig erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Viele haben dann bereits eine lange Leidens- und Diagnosegeschichte hinter sich. Foto: Gatot, stock.adobe.com

    Autismus, auch als Autismus-Spektrum-Störung bezeichnet, ist eine komplexe Entwicklungsstörung. Betroffene haben meist Schwierigkeiten im Umgang und der Kommunikation mit anderen Menschen. Autismus wird oft schon im Kindesalter diagnostiziert – doch nicht nur.

    Noch immer ist das Klischee eines autistischen Jungen weit verbreitet, der ausgeprägte Spezialinteressen hat, wenig Empathie zeigt und sich nicht für andere Menschen oder Freundschaften interessiert. Dieses Vorurteil wird allen Menschen im Autismus-Spektrum nicht gerecht, doch vor allem Frauen werden dadurch benachteiligt: Sie erhalten ihre Diagnose häufig erst im Erwachsenenalter, nachdem bei ihnen fälschlicherweise andere psychische Erkrankungen diagnostiziert wurden. Denn jahrzehntelang dachte man, dass fast nur Jungen an Autismus erkranken. Das wirkt bis heute nach.

    Anzeichen für Autismus: So erkennt man das Spektrum

    Nicht für alle Menschen im Autismus-Spektrum gelten alle Symptome. Doch diese Merkmale treten häufig auf:

    • Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion
    • Spezifische Interessen
    • Probleme im Ausdruck von eigenen Gefühlen
    • Probleme, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und Emotionen zu deuten
    • Kommunikationsschwierigkeiten
    • Vermeiden von Blickkontakt
    • Festhalten an Routinen und bekannten Abläufen
    • Empfindlichkeit auf Gerüche, Geräusche, Licht oder Berührungen
    • Sich wiederholende Verhaltensmuster
    • Schwierigkeiten mit Wahrnehmung sowie Verarbeitung von Umweltreizen
    • Probleme, Freundschaften aufzubauen und zu halten

    Natürlich erkennen viele Menschen einzelne dieser Merkmale bei sich selbst. Das bedeutet aber nicht, dass sie an Autismus leiden. Gleichzeitig haben viele autistische Personen gelernt, ihre Symptome zu verstecken und sich den gesellschaftlichen Konventionen anzupassen. Dieses Verhalten wird auch „Masking“ (maskieren) genannt.

    Deshalb wird die Autismus-Spektrum-Störung bei Frauen seltener erkannt

    Auch wenn viele der typischen Merkmale auch bei Mädchen und Frauen auftreten, wird Autismus häufig lange nicht als solcher erkannt. Das hat mehrere Gründe:

    1. Männliche Diagnosekriterien: Das Bild eines „typischen Autisten“ ist häufig männlich geprägt. Doch auch die Diagnosekriterien sind nicht an Frauen ausgerichtet, jahrzehntelang wurden weibliche Probandinnen indirekt sogar von Studien zum Autismus-Spektrum ausgeschlossen. Lange ging man zudem davon aus, dass Autismus fast ausschließlich männliche Personen betrifft. 
    2. Typisches Rollenbild: Frauen haben oben genanntes Masking oft perfektioniert – so sehr, dass lange nicht auffällt, dass sie im Autismus-Spektrum liegen. Während autistische Jungen im Kindesalter oft aufbrausend und aggressiv wirken, ziehen sich Mädchen häufig zurück und gelten als schüchtern. Dieses Verhalten passt zum Rollenbild von Mädchen und Frauen, das viele Menschen verinnerlicht haben.
    3. Nachahmung von sozialer Interaktion: Zudem beobachten Mädchen und Frauen ihre Mitmenschen genau und ahmen ihr Verhalten nach. Merkmale der sozialen Interaktion wie Lächeln und Blickkontakt im Gespräch entstehen bei autistischen Personen jedoch nicht spontan, sondern sind antrainiert.

    Doch das ständige Masking und das Anpassen an gesellschaftliche Konventionen strengt an und laugt aus. Viele weibliche Autismus-Betroffene berichten, dass sie sich nach einem Tag voller Masking lange erholen müssen. Eine Folge kann das sogenannte autistische Burnout sein. Dieser Begriff bezeichnet den anhaltenden Zustand mentaler und körperlicher Erschöpfung, der nur bei Menschen mit Autismus auftritt.

    Auch andere Begleit- oder Zweiterkrankungen sind keine Seltenheit. Oft fällt erst nach der Diagnose einer Angst- oder Essstörung oder einer Depression auf, dass dahinter eine Autismus-Spektrum-Störung steckt. Doch häufig haben Frauen auch eine lange Geschichte an Fehldiagnosen hinter sich, es werden beispielsweise fälschlicherweise Zwangsstörungen oder soziale Phobien diagnostiziert.

     Geschlechtsspezifische Medizin untersucht die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Bezug auf Krankheiten, Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten. Mehr Beispiele für Gendermedizin gibt es hier.

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