Man kennt es: Auf den Straßen begegnet man Leuten, die einen offensichtlich wiedererkennen, während man selbst keine Ahnung hat, wer vor einem steht. Das ist zwar unangenehm, aber kann vor lauter Stress oder wegen eines schlechten Erinnerungsvermögens passieren. Für gesichtsblinde Menschen ist das aber alltäglich.
Wie äußert sich Gesichtsblindheit?
Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) ist eine seltene neurologische Erkrankung, die dazu führen kann, dass man Menschen zu erkennen glaubt, die man noch nie gesehen hat, oder dass man Menschen, die man kennt, nicht erkennt. Der Begriff setzt sich auf den altgriechischen Wörtern “Prosopon” (Gesicht) und “Agnosis” (Nichterkennen) zusammen.
Für die Betroffenen enthält ein Gesicht keine spezifischen Merkmale, an denen sie eine vertraute Person erkennen können. Denn Gesichtsblinde können durchaus Gesichter als Gesichter identifizieren. Sie sind fähig, die Mimik zu deuten und die Gesichtszüge zu beschreiben, aber unfähig, sie einem bestimmten Menschen zuzuordnen. Den meisten gesichtsblinden Menschen ist nicht bewusst, dass sie Schwierigkeiten bei der Gesichtserkennung anderer Personen haben. Die Symptome werden häufig mit autistischen Anzeichen verwechselt und treten außerdem oft als Begleiterscheinung von Autismus auf.
Arten der Gesichtsblindheit
Man unterscheidet mehrere verschiedene Formen der Prosopagnosie: die apperzeptive, die assoziative und die kongenitale Prosopagnosie. Die kongenitale Form ist eine angeborene Gesichtsblindheit. Menschen mit einer apperzeptiven Prosopagnosie sind nicht in der Lage, anhand eines Gesichts das Alter der Person einzuschätzen. Auch das Geschlecht der Person können sie aus dem Gesicht nicht ablesen. Außerdem können sie aus den Gesichtszügen nur schwer auf die Emotionen der Person schließen. Personen, die unter einer assoziativen Prosopagnosie leiden, hingegen können beim Betrachten eines Gesichts auf das Alter und das Geschlecht der Person schließen. Doch eine konkrete Zuordnung, wie das Erkennen prominenter Personen, ist auch ihnen nicht möglich.
Ursachen von Prosopagnosie und was gesichtsblinden Menschen helfen kann
Gesichtsblinde Personen haben auch Probleme damit, Menschen außerhalb des vertrauten Kontextes zu erkennen. Wenn sie beispielsweise einen Arbeitskollegen in einem Restaurant oder eine Schulfreundin in der Bahn antreffen. Neben der angeborenen Gesichtsblindheit kann Prosopagnosie auch in Folge einer Hirnverletzung auftreten. Sie kann zum Beispiel bei der Geburt durch eine Schädigung eines Gehirnteils, des so genannten Gyrus fusiformis, verursacht werden, der als Schlüssel für die visuelle Interpretation fungiert - so auch für das Erkennen von Gesichtern und Objekten.
Da es für Prosopagnostiker:innen bislang keine Therapiemöglichkeiten gibt, die zu einer Heilung führen, sind gesichtsblinde Personen auf Strategien angewiesen, um ihren zwischenmenschlichen Umgang zu erleichtern. Sie sollten zum Beispiel versuchen, sich Merkmale einzuprägen, an denen das Gegenüber bei der nächsten Begegnung zu identifizieren ist. Es reichen Kleinigkeiten wie die Form des Haaransatzes, der Wimpern und Ohren, die Zahnstellung, Hände und Stimme. Betroffene sollen sich auf jene Kennzeichen konzentrieren, die unveränderlich sind.