Egal ob in der Beziehung, auf der Arbeit oder unter Freund:innen – Konflikte gibt es immer wieder. Mal ist es eine kleine Meinungsverschiedenheit, mal ein ausgewachsener Streit. Solche Auseinandersetzungen sind für die allermeisten Menschen mit negativen Gefühlen wie Wut, Sorge oder Unsicherheit verbunden. Trotzdem gehören sie dazu, um gesunde Beziehungen zu führen und die eigenen Grenzen zu kommunizieren. Einigen Menschen bereitet der Gedanke an einen möglichen Konflikt jedoch solche Angst, dass sie versuchen, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Das kann auf Dauer nicht nur den Beziehungen zu den Mitmenschen schaden, sondern auch dem eigenen Wohlbefinden. Wie also können konfliktscheue Menschen lernen, ihre Angst zu überwinden?
Woher kommt die Angst vor Konflikten?
Viele konfliktscheue Menschen haben irgendwann im Laufe ihres Lebens einmal schlechte Erfahrungen mit Konfrontationen gemacht – beispielsweise in der Kindheit. Vielleicht reagierten die Eltern auf Wünsche, Kritik oder Meinungsäußerungen wütend oder vorwurfsvoll. Dieser Umgang mit Problemen löst in Kindern große Unsicherheit aus. Sie schämen sich für ihre Äußerungen, fühlen sich missverstanden und nicht ernstgenommen. Das Verhalten der Eltern signalisiert ihnen: Hier ist kein Platz für die negativen Emotionen der Kinder. Machen sie ihnen Luft, werden sie dafür bestraft.
Dadurch stellen Menschen zwischen Konflikten und negativen Erfahrungen wie Bestrafungen oder Verlust eine Verbindung her. Sie sehen Konfrontationen als eine Bedrohung an und fürchten, gekränkt zu werden, auf Ablehnung zu stoßen oder Bezugspersonen zu verlieren. Auch gestehen sich viele Betroffene gar nicht zu, überhaupt Bedarf für eine Konfrontation zu haben und reden ihre Bedürfnisse selbst klein. So entwickelt sich ein Muster: Anstatt Kritik, Wünsche oder Probleme direkt anzusprechen, schweigen sie lieber.
Warum sind Konflikte so wichtig?
Zwar hoffen konfliktscheue Menschen oft, die Probleme lösen sich mit der Zeit einfach in Luft auf. Leider ist dem in der Regel jedoch nicht so. Das dauerhafte Vermeiden von Konflikten kann mitunter sogar deutliche negative Auswirkungen haben – auf sich selbst und auf die Mitmenschen. Werden die eigenen Bedürfnisse oder der eigene Standpunkt nicht klar kommuniziert, müssen die betroffenen Personen auf sie verzichten. So kann sich mit der Zeit viel Unzufriedenheit und Gereiztheit ansammeln, die sich irgendwann schlagartig entlädt. Dann tritt genau das Szenario ein, vor dem sich konfliktscheue Menschen so fürchten – ein lauter, unsachlicher Streit nämlich. Dies ist darüber hinaus nicht gerade fair gegenüber den anderen Beteiligten. Sie können schließlich keine Gedanken lesen und kennen den Auslöser dieser heftigen Reaktion gar nicht.
Gleichzeitig haben Menschen mit Angst vor Konflikten oft ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Akzeptanz. Dies kann sich deutlich auf ihre Beziehungen auswirken: So neigen sie häufig dazu, ihre Grenzen nicht klar mitzuteilen und sich vieles gefallen zu lassen. Dadurch laufen sie Gefahr, ausgenutzt zu werden. Kommt es doch einmal anderweitig zu einem Konfliktgespräch, tendieren konfliktscheue Menschen dazu, schnell zurückzurudern oder Kompromisse einzugehen. Somit ist klar: Die Angst vor Konflikten schränkt uns ein.
Konfrontation will gelernt sein!
Ein besserer Umgang mit Konflikten fängt bei der eigenen Einstellung an. Der erste Schritt: Akzeptieren, dass wir Konflikte nie vollständig vermeiden können. Denn auch wenn wir unsere Gedanken nicht aussprechen, existieren sie trotzdem und machen uns unglücklich. Nur wenn wir Probleme mit anderen ansprechen, haben wir auch die Chance, sie zu lösen. Denn wie bereits erwähnt, unser Gegenüber hat keinen Einblick in unsere Gefühlswelt. Nur, wenn wir uns mitteilen, können andere auf unsere Wünsche eingehen. Gewissermaßen haben Konfrontationen auch ein bisschen mit Self-Care zu tun. Jede:r hat das gleiche Recht darauf, auch mal wütend oder unzufrieden zu sein. Auf diese negativen Gefühle zu achten und sich auch zuzugestehen ist wichtig für unser eigenes Wohlbefinden.
Außerdem muss eine Auseinandersetzung nichts Negatives sein. Ein Konflikt mit einer Bezugsperson bedeutet nicht, dass diese Person uns deshalb nicht mehr gernhat. Konflikte sind also keineswegs gleichbedeutend mit Verlust. Deshalb ist es einen Versuch wert, nicht mehr ganz so negativ an Konflikte heranzugehen. Ebenfalls ein wichtiger Schritt: Den Konfliktgrund und die beteiligte Person getrennt voneinander betrachten. Wie das Gespräch letztendlich ausgeht , lässt sich natürlich nicht sagen – und hängt auch immer von den anderen Involvierten ab. Trotzdem sollten sie niemals als Gegner:innen betrachtet werden. Denn hier geht es nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um den Ausdruck eigener Gefühle.