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Häusliche Gewalt während der EM: Nicht jeder erhält ein Sommermärchen

Gewalt nach Sportevents

Häusliche Gewalt während der EM: Nicht jeder erhält ein Sommermärchen

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    Unzählige Frauen sind während der EM bedrohter denn je, denn die gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt nehmen stetig zu.
    Unzählige Frauen sind während der EM bedrohter denn je, denn die gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt nehmen stetig zu. Foto: Grustock

    Der Wunsch nach dem perfekten Fußball-Sommermärchen schlummert in vielen begeisterten Fans. Jedoch offenbart sich dieses Märchen nicht für jeden, denn viele Frauen werden aufgrund der Spiele mit der Realität von zunehmender häuslicher Gewalt konfrontiert.  

    Seit Mitte Juni befindet sich Europa im Ausnahmezustand. Die Fußball-Europameisterschaft der Männer hat gestartet. Das erkennt man vermehrt an den feierfreudigen Menschen auf den Straßen, den unzähligen Leinwänden in vielerlei Bars und Gaststätten sowie dem zunehmenden Alkoholkonsum. Jedoch bringt ein solches Sportereignis nicht nur Freuden mit sich. Das Motto “Vereint im Herzen Europas” trifft nicht auf alle Anteilhabenden zu. Es birgt auch Schattenseiten, denn nicht jeder Zuschauer nimmt eine Niederlage sportlich auf, und oftmals müssen die direkten Angehörigen darunter leiden. Viele Frauen und Mädchen sind durch das sogenannte Sportevent des Jahres einem noch größeren Risiko ausgesetzt, als sie es normalerweise bereits wären. Was passiert, wenn das Team verliert? Was passiert, wenn mein Partner einer Spielentscheidung nicht zustimmt? Oder wenn das Team doch gewinnt und im Anschluss entsprechend angestoßen wird? 

    Erschreckende Zahlen, reale Fakten 

    Die Zahlen sind erschreckend. Bereits bei Fußballmeisterschaften aus der Vergangenheit stellten Untersuchungen fest, dass partnerschaftliche und geschlechterspezifische Gewalt während der Dauer des Turniers zunimmt. Studien aus England ermittelten beispielsweise, dass die gemeldeten Fälle nach einem Sieg der eigenen Mannschaft um 26 Prozent stiegen. Im Falle einer Niederlage stiegen diese Zahlen um ganze 38 Prozent. Zu den wesentlichen Faktoren gehört sicherlich der erhöhte Alkoholkonsum. Dieser Faktor darf jedoch lediglich als Verstärker gesehen werden, der Auslöser ist immer die Gewalttätigkeit von Männern. Auch in Deutschland steigt die Partnerschaftsgewalt stetig. Allein in den letzten fünf Jahren stieg die Zahl der gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt um 17,5 Prozent. Im vergangenen Jahr mussten 155 Frauen aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Partners sterben. Laut Bundeskriminalamt erfährt eine Frau knapp alle vier Minuten Gewalt durch ihren (Ex-)Partner. Alle zwei Stunden erlebt eine Frau oder ein Mädchen sexualisierte Gewalt durch ihren (Ex-)Partner. Wie hoch die Dunkelziffer jedoch ist, kann nur vermutet werden. Diese Zahlen ergeben sich jedoch bereits ohne den Einfluss eines Sportevents.  

    Ein Leben ohne häusliche Gewalt ist ein Menschenrecht 

    Es ist äußerst wichtig zu begreifen, „dass männliche Gewalt nicht naturgegeben ist”. Das erklärt die Familienrechtsanwältin Asha Hedayati, die sich besonders für von Gewalt betroffene Frauen einsetzt, in einem Interview mit Amnesty International. Sie erklärt, dass Maßnahmen für eine effektive Bekämpfung von geschlechtsbezogener Ungleichheit und Abhängigkeit unabdingbar sind. Dazu zählt eine umfassende staatliche Unterstützung für Sorgearbeit bis hin zu einer besseren Bezahlung und konsequenter Armutsbekämpfung. Einzelne Reformen reichen dafür nicht aus. 

    Ein maßgeblicher Anteil der Zahl von Femiziden ankert in häuslicher Gewalt. Ein Femizid beschreibt eine Handlung mit Todesfolge, bei der das weibliche Geschlecht der Hauptgrund für die Gewaltaktion ist. Eine kontinuierliche Aufklärung, insbesondere in den Medien, gilt als eine der Hauptinitiativen, um Sichtbarkeit zu schaffen.  

    Diese Hilfsangebote stehen euch auch während der EM zur Verfügung: 

    Die richtige Hilfeleistung ist unabdingbar. Wie sieht die richtige Hilfe jedoch aus? Und was könnte die Situation im Ernstfall sogar verschlimmern? Wenn eine Frau es schafft, sich von ihrem Partner loszureißen und in ein Frauenhaus zu fliehen, steht sie noch immer vor unzähligen Hürden, die ihre Sicherheit beeinträchtigen. Sollte ein Kind involviert sein, hat der Vater das Anrecht auf einen Umgangsantrag. Laut Asha Hedayati berücksichtigen Familiengerichte oftmals die Gewalt des Vaters nicht ausreichend. In vielen Fällen soll die Gewalt danach noch einmal zunehmen. Da die Diskriminierung von Frauen in verschiedensten Unterdrückungsformen eine Rolle spielt, muss es zur Pflicht werden Frauenrechte und Menschenrechte auf eine Stufe zu stellen. Die aktuellen Zahlen aus Studien in Bezug auf häusliche Gewalt während der EM zeigen jedoch erneut, dass es noch ein langer Weg bis dahin ist.  

    Wer sich aktuell bedroht fühlt oder künftige Bedrohungen befürchtet, kann sich jederzeit kostenlos und ohne mögliche Rückverfolgung an das Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen” wenden. Unter der Telefonnummer 116 016 oder online auf hilfetelefon.de erhalten betroffene und bedrohte Frauen, ihr Umfeld sowie Fachkräfte rund um die Uhr in 17 Sprachen Unterstützung. 

    Der Weiße Ring bietet ebenfalls eine psychotraumatologische und anwaltliche Erstberatung an. Außerdem bietet die Hilfsorganisation Unterstützung bei einem Umzug, bei der Wohnungseinrichtung und bei der finanziellen Überbrückung tatbedingter Notlagen an.

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