Beliebte Social-Media-Kanäle predigen sie, Unternehmen bieten passende Workshops und „Happiness Trainings“ an – Positivität und Optimismus sind in aller Munde. Aber ist eine positive Sichtweise automatisch der Schlüssel zu Gesundheit, Glück und Erfolg? Nicht immer. Tatsächlich besteht ein schmaler Grat zwischen einer gesunden, optimistischen Grundeinstellung und der sogenannten Toxic Positivity. Aber was steckt hinter dem Begriff?
Was ist Toxic Positivity?
Grundsätzlich umfasst die Bezeichnung Toxic Positivity – übersetzt „giftige Positivität“ – den zwanghaften Versuch, keine negativen Gefühle zuzulassen. Das kann alle Lebenslagen betreffen, egal ob Alltag, soziale Kontakte oder den Arbeitsplatz. Der häufig bestehende Irrglaube, eine positive Grundhaltung fördere Gesundheit und Karriere, ist vor allem am Arbeitsplatz der ideale Nährboden für diese ungesunde Sichtweise. Aber was macht Toxic Positivity so gefährlich? Die Antwort darauf liegt in der menschlichen Gefühlswelt. Diese lässt uns eine riesige Vielfalt an Empfindungen verspüren, welche alle ihren Platz und Nutzen haben – auch die schlechten. Das Auseinandersetzen mit negativen Gefühlen wie Wut oder Traurigkeit ist unglaublich wichtig für die mentale Gesundheit. Wer seine authentischen Gefühle dauerhaft unterdrückt und den Blick ausschließlich auf das Positive richtet, kann also wesentliche Erfahrungen übersehen. Dies stumpft nicht nur auf Dauer emotional ab, sondern verhindert auch wichtige Lernprozesse. Denn nur wer negative Gefühle akzeptiert, kann sie auch verarbeiten und an ihnen wachsen.
Anzeichen und Folgen
Ist der Fokus auf das Gute im eigenen Umfeld zu viel des Guten, lässt sich das häufig an fehlender emotionaler Authentizität erkennen. Negative Äußerungen oder Gedanken werden durch Phrasen abgeblockt, Konfliktsituationen werden vermieden und oberflächliche Beziehungen überwiegen deutlich. Soziale Kontakte werden immer distanzierter, die Fähigkeit zur Empathie schwindet und negative Gefühle anderer werden abgewiesen oder gar belächelt. Vor allem am Arbeitsplatz kann dies schwerwiegende Folgen haben: Mitarbeiter:innen mit schlechten Erfahrungen oder kritischen Sichtweisen fühlen sich oft unwohl mit ihren Gefühlen und trauen sich möglicherweise nicht mehr, diese anzusprechen. Ein ehrliches Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe ist dann nicht mehr möglich.
Das hilft gegen Toxic Positivity
Um ein solches Umfeld zu vermeiden, müssen alle Facetten der menschlichen Gefühlswelt willkommen sein. Das fängt meist bei sich selbst an: Nur wer mit sich selbst ehrlich ist, eigene Fehler eingesteht und den eigenen Emotionen auf den Grund geht, kann dies auch aufrichtig an andere weitergeben. Floskeln wie „Positiv denken!“ oder „alles halb so schlimm“ sind oftmals keine Lösung. Stattdessen hilft es, direkt zu kommunizieren und dem Gegenüber zu vermitteln, dass negative Gefühle in Ordnung sind. Auch das Vermeiden zwanghaft positiver Social-Media-Kanäle kann der erste Schritt im Kampf gegen Toxic Positivity sein. Für Führungskräfte ist es wesentlich, die eigene Empathie zu trainieren und ein offenes Ohr für Angestellte zu haben. So können sie ein gesundes Arbeitsumfeld schaffen und ihre Kolleg:innen dazu ermutigen, Kritik und eigene Gedanken zu äußern.