Seit 2018 gewann die gebürtige Augsburgerin Tina Rupprecht durchgehend den Weltmeisterschaftskampf des WBC-Verbandes im Frauenboxen. Sie trägt somit bereits zum sechsten Mal den Titel als Weltmeisterin im Minimumgewicht. Die 30-Jährige wurde außerdem 2018 und 2019 Sportlerin des Jahres sowie 2019 und 2021 zur Boxerin des Jahres gekürt.
Rupprecht kämpft gegen US-Boxerin Estrada um die Vereinigung zweier Weltmeistertitel
Aktuell bereitet sich die Augsburgerin auf den spannendsten Kampf ihrer bisherigen Karriere vor – und gleichzeitig wird ein großer Traum wahr: Sie wird am 25. März 2023 in Fresno, Kalifornien, gegen die US-Profiboxerin Seniesa Estrada antreten. Estrada ist die amtierende Weltmeisterin des Boxverbandes WBA. Es geht für die beiden Frauen somit um die Vereinigung der Weltmeistertitel WBC und WBA, den zwei größten Boxsportverbänden.
Trotz hochintensiver Wettkampfvorbereitung findet Tina Rupprecht Zeit für ein Interview mit uns. Sie verrät, warum das Boxen eigentlich in Kontrast zu ihrer Persönlichkeit steht und welche Erfahrungen sie als Frau in einem männerdominierten Sport macht. Außerdem sprechen wir darüber, wie sie sich körperlich und mental auf ihren großen Kampf vorbereitet.
Interview mit Augsburger Profiboxerin und WBC-Weltmeisterin Tina Rupprecht
Hallo, Frau Rupprecht. Wie haben Sie Ihre Leidenschaft zum Boxen gefunden?
Tina Rupprecht: Gefunden habe ich die eher zufällig, durch einen Bekannten, der den Boxsport gemacht hat. Da bin ich zum Testen mit ins Probetraining gegangen. Das fand ich dann so cool und habe gleich für mich entdeckt, dass es mir super viel Spaß macht. Aber eben auch, dass ich Talent habe. So bin ich mit 14 zum Boxclub Haan gekommen, wo ich auch heute noch bin. Dort habe ich boxen gelernt und meinen allerersten Amateurboxkampf mit 15 gemacht.
Was macht den Boxsport für Sie so besonders?
Tina Rupprecht: Ich liebe diesen direkten Kampf, das 1:1 im Ring. Das ist hart - und ich bin auch ein sehr harmonischer Mensch. Ich glaube, die meisten Leute würden niemals denken, dass ich boxe. Das Boxen ist für mich ein Gegenpol. Weil ich einfach im Ring jemand komplett anderes bin. Da ist es aggressiv, da ist es hart und da ist man nicht nett. Ja, das sind einfach meine zwei Seiten (lacht).
Tina Rupprecht über die Entwicklung des Frauenboxens und das mediale Interesse
Sie haben es gerade schon angesprochen: Das Boxen gilt eher als aggressiver Sport. Dennoch hat es in den vergangenen Jahren sein Klischee als „reiner Männersport“ abgestreift – auch dank erfolgreichen Championessen wie Ihnen. Wie sehen Sie Ihre Rolle als weibliches Vorbild in der Boxwelt?
Tina Rupprecht: Das Boxen hatte in Deutschland in den 90ern seine Hochzeit mit Henry Maske und Regina Halmich. Die hat das Frauenboxen ja auch bekannt gemacht. Und dann ist es sehr abgeflacht und auch das Interesse der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ist verloren gegangen. Seitdem ist der Boxsport in Deutschland leider ziemlich tot. Natürlich ist er da, aber man bekommt nicht wirklich etwas mit, wenn man nicht in der Szene drin ist. Das Frauenboxen hat sich aber in den letzten Jahren wahnsinnig weiterentwickelt. Das ist auf einem hohen Niveau wie noch nie. Ich denke, wir können, was die Kämpfe angeht, auch locker mithalten. Und das sollte gezeigt werden. Ich freue mich, dass ich einen Teil dazu beitrage, das Boxen in Deutschland wieder populärer zu machen.
Ich glaube, dass ich für viele junge Mädels auch eine Art Vorbild bin, wenn es darum geht, sich Ziele zu stecken und diese zu erreichen. Und ich freue mich natürlich, wenn mir jemand sagt, dass ich ein Vorbild bin.
Haben Sie Tipps für junge Mädchen und Frauen, die neu in den Boxsport einsteigen wollen?
Tina Rupprecht: Einfach ausprobieren. Ich hatte zum Beispiel nie die Erfahrung, dass es hieß ‚Hä, was willst du beim Boxen als Mädel?‘ Ich hatte immer nur positive Erfahrungen! Aber wenn das mal woanders der Fall sein sollte, habe ich nur den Tipp: Wenn es einem Spaß macht, sollte man auf jeden Fall dranbleiben und nichts darauf geben, was andere sagen.
Boxen für Anfängerinnen und Anfänger: Tipps, Regeln und Kurse
Wie bereitet sich die WBC-Weltmeisterin auf den Kampf in Fresno, USA, vor?
Bald reisen Sie nach Kalifornien und Ihr Lebenstraum wird wahr: Sie kämpfen gegen den US-Star Seniesa Estrada um die Vereinigung zweier Weltmeistertitel. Herzlichen Glückwunsch! Welche besonderen Vorbereitungen stehen vor einem solchen Kampf an?
Tina Rupprecht: Die Vorbereitung läuft natürlich auf Hochtouren und ist fast abgeschlossen. Die letzte Woche vor dem Kampf fährt man herunter, um sich zu regenerieren und am Kampftag topfit und erholt zu sein. Ich hatte extra Sparringspartnerinnen da, eine aus Mexiko und eine aus der Ukraine. Die sind extra eingeflogen, weil es gar nicht so einfach ist, in meiner Gewichtsklasse gute Mädels zu finden. Vor allem in Europa, da gibt es ganz, ganz wenige. Das ist immer eine kleine Herausforderung. Aber das ist uns gut gelungen.
Die Vorbereitung war auch sehr hart. Ich habe einen neuen Kraft- und Konditionstrainer, den Sepp Maurer. Parallel zu meinem Boxtraining im Boxclub Haan in Augsburg war ich drei Tage die Woche im Bayerischen Wald bei dem Sepp und wir haben reines Kraft-, Ausdauer-, und Athletiktraining gemacht. Um mich einfach von der körperlichen Fitness noch einmal auf ein anderes Level zu bringen.

Am Kampftag selbst gilt es also zu 110 Prozent fit zu sein. Haben Sie an einem Kampftag besondere Routinen, die Sie anwenden?
Tina Rupprecht: Der Kampftag selbst ist eigentlich immer ziemlich ätzend (lacht), weil es sich endlos zieht, weil du eigentlich nur wartest. Du wartest den ganzen Tag, dass es Abend wird und es endlich losgeht. Da macht man auch nicht viel. Da steht man morgens auf, frühstückt mit dem Team, macht vielleicht einen Spaziergang an der frischen Luft und irgendwann geht jeder auf sein Zimmer und man merkt die Anspannung. Dann lege ich mich meistens noch ein bisschen hin. Anschließend mache ich vielleicht noch eine Meditation und gehe die ganzen Abläufe durch. Und dann warte ich, dass ich abgeholt werde, und es geht in die Umkleide. Und dann ist man eh in einem Tunnel. Du kommst voll in deinen Fokus und es steigt natürlich die Nervosität. Aber das gehört auch dazu.
Kampfsport ist auch Kopfsache: Tina Rupprecht manifestiert ihren Sieg gegen Seniesa Estrada
Sie haben es gerade schon angerissen: So ein Ereignis ist natürlich auch mental herausfordernd. Wie bereiten Sie sich gedanklich vor?
Tina Rupprecht: Boxen, oder generell der Kampfsport, ist ganz viel Kopfsache. Vor allem bei dem Kampf jetzt, bei dem wirklich beide Boxerinnen auf einem Top-Niveau sind, entscheidet im Prinzip 80 Prozent der Kopf. Auch die mentale Vorbereitung ist Vorbereitung. Es bringt nichts, wenn du in den Kampf gehst und sagst ‚So, jetzt gewinne ich!‘ Das muss vorher schon passieren. Das musst du vorbereiten, denn beim Kampf selbst ist es vorbei! Deswegen gehört auch das Mentale zum Training. Das beginnt mit den inneren Selbstgesprächen, die man den ganzen Tag führt. Dass man sich selbst davon überzeugt, dass man gewinnt. Ich mache das zum Beispiel in Form von Affirmationen oder auch Meditationen. Ich mache auch viel mit Atemtechniken und verschiedenen Atemübungen. Das ist also immer ein Gesamtpaket, das für jeden individuell passen muss.
Sie manifestieren also Ihren Sieg und kommen so zum Ziel. Spannend! Wenn Sie wieder zurück sind, wo in Ihrer Heimat Augsburg schalten Sie den Kopf ab und genießen Ihre Freizeit?
Tina Rupprecht: Ich bin tatsächlich einfach sehr, sehr gerne zu Hause. Wenn man viel unterwegs ist, ist es schön, einfach mal zu Hause zu sein und nichts machen zu müssen. Darauf freue ich mich sehr (lacht). Ansonsten bin ich gerne draußen in der freien Natur. Bei einem Spaziergang, vor allem jetzt im Frühling. Wenn ich zurück bin, bin ich noch eine Woche in Augsburg und dann machen mein Freund und ich Urlaub. Wir fliegen nach Island für zwei Wochen.
Wie schön! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Titelvereinigung am 25. März 2023 und einen erholsamen Urlaub im Anschluss!
Tina Rupprecht: Vielen Dank!
Mehr von Tina Rupprecht gibt es auf ihrem Instagram-Profil und ihrer Website.
Lust auf noch mehr spannende Menschen aus Augsburg? Hier geht es zum Interview mit Fußball-Influencer Fabian Pecher